Piero Manzoni
Über den Künstler
Piero Manzoni (Italien, 1933 - 1963) war vor allem für seine ironische Herangehensweise an die Avantgardekunst bekannt. Am bekanntesten ist er für eine Reihe von Kunstwerken, die die Natur des Kunstobjekts selbst in Frage stellen und die Konzeptkunst direkt vorwegnehmen. Manzoni verzichtet auf normale Künstlermaterialien und verwendet stattdessen alles vom Kaninchenfell bis zu menschlichen Exkrementen, um "mythologische Quellen anzuzapfen und authentische und universelle Werte zu verwirklichen". Sein Werk wird weithin als Kritik an der Massenproduktion und dem Konsumverhalten gesehen, welche die italienische Gesellschaft (das italienische Wirtschaftswunder) nach dem Zweiten Weltkrieg verändert haben.
Merda d'artista N° 083
Maggio 1961
Tin can, printed paper
Im Mai 1961, während er in Mailand lebte, produzierte Piero Manzoni neunzig Dosen Künstler-Scheiße.
Jede Dose war auf dem Deckel von 001 bis 090 nummeriert. Ein Etikett auf jeder Dose, das in Italienisch, Englisch, Französisch und Deutsch gedruckt war, kennzeichnete den Inhalt als "Künstler-Scheiße", Inhalt 30gr netto frisch konserviert, hergestellt und verzinnt im Mai 1961. Im Dezember 1961 schrieb Manzoni in einem Brief an den Künstler Ben Vautier: "Ich möchte, dass alle Künstler ihre Fingerabdrücke verkaufen, oder aber Wettbewerbe veranstalten, um zu sehen, wer die längste Linie ziehen oder seine Scheiße in Dosen verkaufen kann. Der Fingerabdruck ist das einzige Zeichen der Persönlichkeit, das akzeptiert werden kann: Wenn Sammler etwas Intimes, wirklich Persönliches für den Künstler wollen, dann gibt es die eigene Scheiße des Künstlers, das ist wirklich seine."
Die Merda d'artista, die Scheiße des Künstlers, "natürlich getrocknet und ohne Zusatz von Konservierungsstoffen in Dosen", funktioniert als perfekte Metapher für die körperliche und körperlose Natur der künstlerischen Arbeit: das Kunstwerk als vollständig eingebauter Rohstoff und seine gewaltsame Vertreibung als Ware. Manzoni verstand den schöpferischen Akt als Teil des Zyklus des Konsums: als eine ständige Wiederaufbereitung, Verpackung, Vermarktung, Konsum, Wiederverarbeitung, Verpackung, ad infinitum.